Montag, 25. Mai 2009

Unsichtbare Mauern im freien Land

Es mag jetzt zwar etwas vorgegriffen sein, aber ich lese zur Zeit „radio free albemuth“ und darin ist mir eine Stelle besonders im Zusammenhang mit unserem Thema innere Sicherheit aufgefallen:
„But our big military establishment.“
„To keep our own poeple down. Not theirs.“
In diesem Buch geht es um ein System, in dem der kalte Krieg vermeintlich aufrechterhalten wurde.
Die U.S. werden von einem Präsidenten regiert, der systematisch Verschwörungstheorien von einer Geheimorganisation namens „Aramchek“ streut und diese als Vorwand benutzt um ein Kontrollsystem zu schaffen, das in seiner bespitzelnden Art dem der DDR ähnelt. Er veranlasst die Gründung der FAP, „Friends of the American Poeple“, die einem Netzwerk der Staatssicherheit gleichkommen. Jedoch wird in diesem Fall nicht nach möglichen Westkontakten und Fluchtplänen Ausschau gehalten, sonder die Mitgliedschaft in einer kommunistischen Vereinigung steht hoch unter Strafe. Dadurch wird das System des freien Staates ad absurdum geführt, man kontrolliert die Bevölkerung um eine schleichende Übernahme eines kontrollierenden, kommunistischen Systems zu verhindern.
Hierbei werden die Waffen eines Staates, welche man zur Verteidigung gegen den „Feind“ aufrechterhält, gegen die eigenen Mitmenschen gerichtet, die diesen Staat ausmachen. Somit werden sie zu Insassen eines Landes der unbegrenzten Möglichkeiten, mit unsichtbaren Mauern.

Wie so oft bei Philip K. Dick ist dies mal wieder prophetischer gedacht als es uns lieb sein kann. Zwar geht es in den heutigen USA nicht mehr um die Angst vor dem Kommunismus, aber diese wurde von einer noch größeren Angst abgelöst, der Angst vor der unbekannten Religion.
Und auch hier in Österreich läßt sich diese Angst, geschürt von allseits bekannten Politikern, vor einer schleichenden Islamisierung immer deutlicher erkennen.
Ich bezweifle zwar, dass wir in absehbarer Zeit durch Tricks einer Sicherheitsorganisation ähnlich denen der FAP unterbewusst auf mögliche proislamische Tendenzen ausspioniert werden, jedoch finde ich die aktuelle Wahlkampfentwicklung von Strache und Co. mehr als bedenklich. Es ist eine Sache Angst vor möglichen, wie auch immer politisch oder religiös motivierten Terroranschlägen zu verursachen, daraus folgend jedoch einen zunehmend um sich greifenden Fremdenhass zu kreieren ist für mich mehr als beängstigend.
Und es bleibt die Frage, welche unsichtbaren Mauern umgeben UNS schon heute?

Dienstag, 12. Mai 2009

Aus Verdrängung wird Vernichtung

Phillip K. Dick setzte sich in der Kurzgeschichte „We Can Remember It For You Wholesale“ mit den Konsequenzen und der Charakteristik unserer Verdrängungsgesellschaft auseinander, die im Jahre 1966, als die Kurzgeschichte zum ersten mal gedruckt wurde, sicher noch stärker vorhanden war als heute. Damals, zur Zeit des Vietnamkrieges, sahen viele Menschen keine andere Möglichkeit, mit den schlimmen Erinnerungen umzugehen, verdrängten diese und flüchteten sich in Scheinwelten. So mancher hat sich wahrscheinlich gewünscht seine Erinnerungen einfach löschen zu können.

REKAL ist es möglich über Verdrängung hinaus zu gehen und Erinnerungen zu löschen, durch andere Erinnerungen zu ersetzen oder zu erweitern. Douglas Quail führt ein langweiliges, eintöniges Leben und sehnt sich nach Abenteuer. Deshalb will er sich eine spannende Erinnerung „einpflanzen“ lassen. Doch bei dem Prozess kommt Quails Erinnerung an eine Marsreise zurück, also wird der Eingriff in sein Gehirn abgebrochen.
Auch in der Realität funktioniert Verdrängung nicht so wie man es gerne hätte, denn meistens kommt die Erinnerung wieder zurück. Oft wird ein Mensch, der versucht, bestimmte Erlebnisse zu verdrängen, zur Gefahr für seine Mitmenschen, wenn sich sein Trauma zum Beispiel in Form von Aggression erkennbar macht. In der Kurzgeschichte wird Quail ebendfalls eine Gefahr - in dem Fall für die Polizei - da er sich nun an den Auftragsmord und seine Kampf- Kenntnisse als Profikiller erinnert.
Heute kann man diese Theorie der falschen Identität in Zusammenhang mit den Medien sehen und wie diese benutzt werden, um Identitäten zu schaffen. Es ist längst Gang und Gäbe, dass Menschen im Internet individuell gestaltete Identitäten annehmen und diese durch zb. Online-Games ausleben. Auch Serien-Zuschauer ahmen Protagonisten nach und identifizieren sich mit ihnen. Das kann jedoch ausarten und dazu führen, dass jene Personen den Bezug zur Realität und zur eigenen Persönlichkeit verlieren. Wir werden außerdem ständig mit Werbung überhäuft und mit Bildern, die Simulacra schon sehr nahe kommen. Auch davon lassen sich viele Konsumenten beeinflussen und identifizieren sich mit Produkten, Gegenständen und vorgelebten Lebensstilen.
Es kann verheerende Folgen haben, wenn mächtige Institutionen, wie die Regierung oder die Polizei die Medien dazu verwenden der Gesellschaft Identitäten einzureden, wie es zum Beispiel im Nazionalsozialismus der Fall war. Auch in „We Can Remember It For You Wholesale“ passiert das als Militärs die Erinnerung an den Auftragsmord löschen. Eiskalt wird im Gehirn eines Menschen experimentiert, ohne Rücksicht auf den eigenen Willen oder die eventuellen Folgen, die dieser Eingriff haben kann.
Wenn man sich an die Manipulation des Volkes im Nazionalsozialismus erinnert, erkennt man, dass diese Fiktion nicht weit von der Realität entfernt ist. Der „richtige“ Mensch wurde als blond, blauäugig, deutsch und stark definiert; so wurden „richtige“ und „falsche“ Identitäten erfunden und wer zuviel wusste, wurde beseitigt, so wie es die Polizei mit Quail zuerst vorhat.
Des Weiteren werden schon Kindern Identitäten aufgezwungen und „erlernt“. Bis man erwachsen wird, wird man verbogen; Talente, Merkmale und Eigenschaften, welche die wahre Persönlichkeit charakterisieren, werden einem ausgeredet und schlecht geredet. So kommt es auch dazu, dass viele Menschen später nicht mehr wissen wer sie eigentlich sind und sich selbst in Traumwelten, Phantasien oder Spielen wieder zu finden versuchen, sowie die Menschen in der Kurzgeschichte hoffen sich selbst in künstlich erzeugten Erinnerungen neu zu erfinden.
Es stellt sich hier wieder die Frage der Inneren Sicherheit im Bezug auf die eigene Handlungsfreiheit und das eigene Denken. Inwieweit kann man sagen, dass die so entstandene Identität die „reale“, eigene ist, oder jene, die von außen erzeugt und einem Menschen aufgezwungen wird? Sind es eigene Entscheidungen, die wir treffen oder welche, die uns eingeredet werden oder die wir uns selbst einreden?


Phillip K. Dick wollte vermutlich vor derartigen Spielereien und Manipulationen der eigenen Identität warnen.

Freitag, 1. Mai 2009

Die verbrechenlose Welt

Die verbrechenlose Welt von Philip K. Dicks „Minority Report“

Die Gemeinschaft der Kurzgeschichte „Minority Report“ unterbindet und ihre Precogs verbinden zukünftige, mögliche Morde durch ihre wagen Vorhersagen und entfernen jene möglichen Mörder aus der Gesellschaft.
Eine verbrechenlose Welt ist zwar gewährleistet- aber durch welchen Preis? Integrierte Menschen einer Gemeinde werden einfach verlagert, von ihren Familien und Freunden weggeschafft, verbringen sie das Ende ihrer Tage zusammen auf einen anderen Planeten in einem anderen Sonnensystem.
Die Ursache, das „Warum“ ein Mensch einen Mord plant, jemandem das Leben nehmen will, wird nicht untersucht.
Fragen woher die Veranlagung zum Mord kommt werden völlig außer Acht gelassen, durch das Wegschaffen des zukünftigen Täters komplett ignoriert.
Desweiteren vermisst man die Unterscheidung der Beweggründe eines Mordes, wie wir es im deutschen StGB aufgeschlüsselt bekommen.
Selbstverständlich entschuldigt das nicht die Auslöschung des Menschenlebens, doch die Schuld des Täters muss somit differenzierter begutachtet werden.
In der Kurzgeschichte spricht man immer nur von der zukünftigen Tathandlung- doch ob der potentielle Verbrecher mit dem Ziel der Tötung zu seinem Opfer kommt, also mit direktem Vorsatz oder aus Eventualdolus heraus, wird nicht behandelt. Die Folge ist jedoch immer die gleiche.
Dem Grund, warum Dick diesen Aspekt ausließ, ist heute leider nicht mehr zu beantworten, doch schaffte er dadurch jede Menge Diskussionsmaterial, wie unser Rechtssystem in Zukunft weiter entwickelt werden muss.
Sieht man nun von der obigen Fragestelle einmal ab, kommt schon die nächste, unbedachte Problemstellung auf.
Wozu sind potentielle, zusammen gepferchte Mörder fähig, die noch unschuldig auf einem fernen Planeten sitzen, fähig?
Die Schade der eignen Schuld wurde ihnen zwar erspart, aber wie lebt es sich unschuldig in einer anderen Welt, weit weg von Familie und Freunden?
Ein Gefühl der Ungerechtigkeit ist unabdingbar. Zum einen wurde man für etwas bestraft, das man niemals begangen hat, zum anderen sind die Vorhersagen der „Precogs“ äußerst wage. Es ähnelt eher einem Würfelspiel, bei dem man Glück oder Pech haben kann.
Dieses Würfelspiel kann früher oder später zu einem Aufstand führen, denen die zuständigen Behörden dann nicht mehr gewachsen sein werden.
Mordgedanken werden niemals ausgelöscht werden. Hass und Liebe sind die gegenwärtigsten Gefühle in einem Menschen und werden das auch immer sein.
Nur durch Kommunikation, Problemsuche und –findung kann man der Ursache auf dem Grund gehen, statt sie zu nur abzutun.
Allein durch die Vorhersagen der „Precogs“, selbst wenn es mehrere wären, kann die Mordlust nicht unterbinden oder gar die Zukunft damit eindeutig bestimmen. Sie bieten keine Grundlage für eine verbrechenlose, freie und sichere Welt.
Vielmehr schürt sie Unbehagen und Angst vor den eigenen Emotionen und Gendanken im Menschen hervor, womit die innere Sicherheit also keine Sicherheit mehr im Innenleben des Einzelnen bietet.
Das Menschsein wird einem verboten. Es lebt sich nicht mehr nach dem alten Volkslied, von August Heinrich Hoffmanns von Fallersleben und Ernst Richters 1842 einst veröffentlichten „Die Gedanken sind frei“!